Saarbrücker Zeitung
23. Juli 2010
von SZ-Redakteurin Esther Brenner





„Man kommt der Kunst sehr nahe“



Der Kunst-Student Peter Strickmann betreibt in Saarbrücken die ,,Besenkammer”, einen Mini-Ausstellungsraum für Kunstprojekte, neben der Wohnküche seiner Dreier-Wohngemeinschaft. Dort kann man ernst gemeinte, engagierte Kunst in lockerer, fröhlicher und äußerst kommunikativer Form erleben.

„Etwas Raum für Kunst“ hat der Student Peter Strickmann in seiner Besenkammer geschaffen – und damit nicht nur eine Nische in seiner Studenten-Wohngemeinschaft in der Saarbrücker Rosenstraße einer orginellen, ungewöhnlichen Nutzung zugeführt. Er hat auch eine Nische im Saarbrücker Kunstbetrieb besetzt. Denn die Idee, Kunstausstellungen in einer sechs Kubikmeter großen Besenkammer zu veranstalten, mag das verwöhnte Publikum in hippen Großstädten wie Berlin, Köln oder München, wo es eine Vielzahl schräger Kulturorte gibt, kaum erstaunen. In Saarbrücken ist Strickmanns sehenswerte „Besenkammer“ aber eine Attraktion. Und keineswegs sollte sie nur von Kunstfreaks besucht werden.

Das Ganze ist tatsächlich „eine ernst gemeinte Sache“, versichert der 26-Jährige, der sich selbstbewusst [wohl besser: selbstironisch (Anm.: P. Strickmann)] ,,Kurator“ nennt und höchst professionell für seine Mini-Galerie im Internet und auf Flyern wirbt. Schließlich hat er nicht umsonst Kommunikationsdesign studiert, bevor er zum Studium der Freien Kunst mit Schwerpunkt audiovisuelle Kunst (bei Professorin und Klangkünstlerin Christina Kubisch) an die Hochschule der Bildenden Künste Saar kam.

Die „Besenkammer“ ist nicht Peter Strickmanns erstes Projekt dieser Art. Im Ruhrgebiet leitete er mit anderen Studenten bereits einen Kunstraum. Wie in der „Besenkammer“ stellten auch dort Nachwuchskünstler, meist Kunst-Studenten, aus. So wie derzeit Martina Wegener, die bei Strickmann ihre audiovisuelle Installation „sensus curare“ zeigt. Wer sie erleben will, muss sich erst einmal überwinden, die Kunst anzufassen, mit ihr zu spielen. Und genau das macht den Reiz dieses Ausstellungsformates aus. „Man kommt hier der Kunst sehr nahe“, sagt Peter Strickmann bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch in der geräumigen, gemütlichen Wohnküche vor der „Besenkammer“. Und es ist genau dies, was er und seine Mitstreiter sich vorgenommen haben: Kunst erlebbar zu machen, Berührungsängste abzubauen, zu begeistern und – nicht zuletzt – schwer Zugängliches zu diskutieren und – bei Bedarf – gar zu erklären. Denn gerade die vielschichtige Performance- und Installations-Kunst mit ihren unzähligen Bezügen und Querverweisen überfordert so manchen Betrachter. Der landet dann, wenn er will, zum Plausch mit „engagiertem Teetrinken“ an Strickmanns Küchentisch, wo er seine Kunst-Erfahrung dann vertiefen kann.

Zurück zu Martina Wegeners Installation. „Sensus curare“ dreht sich um Sinneswahrnehmungen. In der „Besenkammer“ macht Wegener, die ebenfalls Freie Kunst an der HBK Saar studiert, dem Besucher verschiedene Angebote, die Überschneidungen der eigenen Sinne bewusst zu erproben. Man hört über Kopfhörer einen Text über die Behandlung eines Tinnitus, untermalt mit Vogelgezwitscher. Auf dem Fensterbrett draußen zirpen lebende Grillen in einer Box. Wer will, kann sich – nach einer Anleitung – im Handstand ein Bild eines Kirchenraumes aus verdrehter Perspektive anschauen. So auf den Kopf gestellt wird das Kirchengewölbe zu einer Art Skater-Bahn. Wer sehr viel Zeit mitbringt, kann schließlich in die bereitgestellten Filzpantoffel schlüpfen und in den Büchern über griechische Mythologie blättern, die Martina Wegener für ihre Installation inspiriert haben. Denn schon Platon und Homer beschäftigten sich mit den Sinnen. Bewusst Hören, Sehen, Fühlen soll man bei dieser interaktiven Kunstaktion – ein Parcours der Sinne auf zwei Quadratmetern.

„Die Künstler, die hier ausstellen, müssen sich auf die besondere Raumsituation einlassen. Es ist ein schwieriger Raum zum Bespielen“, erklärt Strickmann. Seit die „Besenkammer“ im Januar eröffnete, haben vier junge Künstler dort ausgestellt, es gab sogar einen „artist in residence“, der über Wochen in der „Besenkammer“ lebte und arbeitete.
Mit den Besucherzahlen ist Peter Strickmann „sehr zufrieden“. Zu Ausstellungseröffnungen ist seine Wohnung immer „proppevoll“. Und auch sonst kommen viele Besucher. Einen Katalog gibt es zwar nicht, aber die „Begleiterscheinungen“, von den ausstellenden Künstlern konzipierte schriftliche Ergänzungen ihrer Arbeiten. Zudem lädt Kurator und Künstler Strickmann hin und wieder zum Frühstück, zu Performances oder Vorträgen ein.

Die „Besenkammer“ (Rosenstraße 14, Sb) ist donnerstags und sonntags geöffnet von 15 bis 18 Uhr sowie nach Absprache, Tel.





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Saarbrücker Zeitung
03.April 2010
von SZ-Mitarbeiterin Kerstin Joost-Schäfer




Kunst in der Besenkammer
Ein kleiner Raum einer Wohnung in der Rosenstraße dient als Ausstellungsort

Wo finden Kunstfreunde in Saarbrücken etwas für ihren Geschmack? In loser Folge stellen wir Galerien und ihr Angebot vor. Diesmal geht es um einen ungewöhnlichen Raum für Kunst: eine Besenkammer.


Saarbrücken. Die Rosenstraße in Saarbrücken scheint sich zu einer Art Meile für moderne experimentelle Kunst zu mausern. In der Nummer 25a ist im Juli die Galerie Karolin Bohr eingezogen, direkt gegenüber befindet sich das Atelier der Künstlerin Gardy Götzinger, und seit Anfang des Jahres gibt es im Haus Nummer 14 nebenan einen neuen, ungewöhnlichen Raum für die Kunst – eine Besenkammer.

Klingeln muss man bei Strickmann und dann das wunderschöne alte Treppenhaus hinaufsteigen zur Altbauwohnung. Peter Strickmann öffnet die Tür und führt in eine geräumige Wohnküche, in der der Blick sofort auf die Besenkammer fällt. Deren Tür steht weit offen, über dem Rahmen prangt „Raum für die Kunst“ und drinnen stehen auf gewöhnlichen Vorratsregalen ungewöhnliche Kunstobjekte. „Das ist eine Ausstellung von Tina Linster“, erklärt der Hausherr und zeigt auf die Flaschen und Vorratsgläser, die mit Staub, Kippen, Ästen, getautem Schnee, gebrochenem Glas gefüllt sind. Linster hat die gesamte Fläche der Besenkammer, 215 950 Quadratzentimeter, an persönlichen Lieblingsplätzen markiert und alles, was in diesen Grenzen zu finden war, mit einem Handfeger aufgekehrt – eine Vorratskammer der anderen Art. „Die Kunst muss sich an diesen Raum und seine Beschaffenheit anpassen. Viele Dinge sind nicht möglich; das ist die eigentliche Herausforderung für die Künstler und die Betrachter“, erläutert Strickmann.

Er studiert seit einem Jahr Kunst in Saarbrücken und war ganz verwundert, dass es in der Stadt nicht einen von Kunststudenten geführten Kunstraum gibt: „In Münster, Düsseldorf, Dresden, München – in allen Städten mit Kunsthochschulen sind studentisch geführte Kunsträume gang und gäbe.“

Strickmann, Jahrgang 1983, hat im Ruhrgebiet einige Jahre das Projekt „Kunstraum Mühlheim“ mit Ausstellungen belebt. Auch hier ging es ihm – wie jetzt in seiner „Besenkammer“ – darum, Arbeiten von jungen Künstlern zu zeigen und sie dadurch ins Gespräch zu bringen. Der Austausch ist Strickmann dabei mindestens ebenso wichtig wie die Qualität, auch für sein eigenes künstlerisches Tun. Strickmann arbeitet hauptsächlich mit Klang (seine Dozentin ist die namhafte Klangkünstlerin Christina Kubisch) und hat vor einiger Zeit am Leinpfad an der Grenze zwischen Frankreich und Deutschland einen Stuhl aufgestellt und auf die Sitzfläche geschrieben: „Take a seat and listen to the border.“ Strickmann: „Wer dieser Aufforderung folgte, konnte feststellen, dass man die Grenze nicht sieht, nicht hört. Ich wollte thematisieren, dass sie etwas von Menschen konstruiertes ist“. Was den Kunstraum Besenkammer betrifft, darf man gespannt sein, wie als nächster Künstler Frederic Ehlers die sechs Kubikmeter Raum experimentell nutzen wird. Ehlers genießt im März einen zehntägigen Arbeitsaufenthalt in der Besenkammer. Der Künstler erarbeitet während dieser Zeit eine Ausstellung, die am 8. April eröffnet wird.

Besenkammer – etwas Raum für die Kunst, Rosenstraße 14, 66111 Saarbrücken, Telefon(01 63) 3 05 69 21, geöffnet Do. und So. von 15 bis 18 Uhr.




Hintergrund
Der Saarbrücker Künstler Frederic Ehlers verbringt im März einen einwöchigen Arbeitsaufenthalt in der Besenkammer. Er wird bekocht und verpflegt, schläft auf einem gemütlichen Bett und erarbeitet eine Ausstellung in der Besenkammer für die Besenkammer. Ehlers arbeitet überwiegend mit dem Medium der Zeichnung.

Charakteristisch für seine Arbeiten ist ein feinsinniger bis bitterer Humor, den er in abstrakten ebenso wie in gegenständlichen Bildern oder in knappen Textzeilen auf den Punkt bringt. Während seines Aufenthalts in der Besenkammer wird sich Ehlers von einem außerordentlichen Alltag inspirieren lassen. Er setzt keinen Fuß in seine etwa zwei Kilometer weit entfernte Wohnung, wählt andere Gehwege durch die Stadt als seine üblichen, arbeitet in einem (noch) fremden Raum, träumt auf einem anderen Bett und genießt die Gesellschaft der WG in der Rosenstraße. Feierlich eröffnet wird die Ausstellung am Donnerstag, 8. April, 19 Uhr. Zur Ausstellung erscheint eine Poster-Edition. kjs





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Saarbrücker Zeitung
06. September 2010
von SZ-Mitarbeiterin Kerstin Joost-Schäfer




Begegnungen in der Wohnküche
Ein Besuch in der letzten Ausstellung in Peter Strickmanns Besenkammer-Galerie

Mit der Ausstellung „Passen/Nichtpassen“ beendet Peter Strickmann sein spannendes Experiment. Das Kunstprojekt „Besenkammer“ in der Rosenstraße 14 endet, weil der Hausherr auszieht.

Saarbrücken. Im Flur krächzt die Nadel eines Plattenspielers über die Rillen, in der Wohnküche drängen sich junge Leute, das Bier im Kühlschrank steht kalt, es darf sogar geraucht werden. Hausherr Peter Strickmann hat eigens zur Vernissage seiner letzten Besenkammer-Ausstellung einen Blechkuchen gebacken, die Künstlern Hyun Ju Do steuert köstliches Kimbab, koreanisches Sushi bei.

Während Strickmann seine Gäste begrüßt, kauert Hyun Ju Do in einer Etage ihrer Installation, die sie, aus Holzlatten maßgeschreinert, in die winzige Besenkammer eingebaut hat. Wenig später folgen Besucher der Aufforderung, die Installation zu begehen und zu benutzen. Auf einmal ist viel Platz in der Küche, während sich die Leute in die Holzkonstruktion quetschen. „Wieviele seid ihr jetzt?“ fragt jemand. „Siebzehn!“ kommt es aus einer Ecke. „Da geht noch einer rein!“ tönt es zurück? Einer? Nein, drei, vier pressen sich noch dazu, am Ende sind es über zwanzig, die das titelgebende Thema der Ausstellung „Passen/Nichtpassen“ ausprobieren. Dann schälen sich alle nach und nach wieder raus, man kichert und amüsiert sich noch eine Weile über das „atemraubende“ Experiment.

Solche schönen Momente wird es im zweiten Stock in der Rosenstraße 14 nicht mehr geben. Peter Strickmann, Kunststudent und Initiator des spannenden Kunstprojekts „Besenkammer“, hört auf. „Ich finde es schade, dass es nach nur zehn Monaten ein so schnelles Ende findet,“ bedauert Anna Kautenburger, Studentin der Hochschule der Bildenden Künste. Das sieht Alexander Karle genau so. „Hier konnte man viele interessante Arbeiten sehen,“ ergänzt er. „Peter hat mit wenigen Mitteln sehr viel bewegt.“

„Weil das alles in einer Wohnküche stattfindet, haben sich wunderbare Begegnungen und Gespräche ergeben,“ erläutert Strickmann: „Man saß am Küchentisch, trank einen Tee und schaute hinein in die offene Besenkammer und das aktuelle Kunstprojekt.“ Nun ist also Schluss. Nicht etwa, weil das Konzept nicht aufging. Strickmann hatte viele Anfragen von Künstlern, das Programm stand schon bis Februar, die Resonanz war durchweg positiv. Der Grund, warum die Besenkammer wieder ihrer ureigenen Bestimmung zugeführt wird, ist ein profaner: Peter Strickmann zieht aus der Rosenstraße aus. Was hat das Projekt Besenkammer aus seiner Sicht bewirkt? „Man konnte sehen, dass es nicht viel bedarf, um Kunst zu den Leuten zu bringen.“ Er selbst hat neue Einblicke in die Arbeitsweise und das Kunstverständnis des jeweiligen Künstlers gewonnen. Bis zum 7. Oktober kann man es sich noch in der Wohnküche gemütlich machen, mit Blick auf die Installation von Hyun Ju Do.

Geöffnet: Donnerstag und Sonntag, 15 bis 18 Uhr und nach Absprache; weitere Termine: 19. September: Besenkammer-Frühstück im Rahmen der aktuellen Ausstellung. Die Künstlerin ist anwesend. Am 26. September (Tag der Bildenden Kunst) ist die Besenkammer von 13-18 Uhr geöffnet.





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